Telemedizin

Telemedizin (Foto: Tima Miroshnichenko auf Pexels)

/smartreha im Ruhrgebiet

„Der Gesundheitssektor ist ein Treiber der Digitalisierung“. Das sagt der Gesundheitsforscher Stephan von Bandemer. Trotzdem bleiben viele Chancen der Telemedizin ungenutzt. Wie Digitalisierung die Rehabilitation fördern kann, überprüft das Projekt /smartreha.

Von Achim Halfmann

Stephan von Bandemer will Missverständnissen vorbeugen: Die Telemedizin wolle keine Ärzte ersetzen, sondern sie sei selbst ein ärztliches Angebot. “Es geht darum, ärztliche Leistungen zum Patienten zu bringen.“ Und es sei auch keine gute Idee, Ärzte ausschließlich als Telemediziner einzusetzen. Besser seien Rotationsmodelle und die Anbindung der Ärzte an medizinische Versorgungszentren, was die Aufrechterhaltung ihrer Qualifikation fördere.

Das Institut Arbeit und Technik ist eine Einrichtung der Westfälischen Hochschule und der Ruhr-Universität Bochum und für das Programm /smartreha verantwortlich. Es entstand im Rahmen der Digitalisierungsinitiative connect.emscher-lippe und bietet ein anschauliches Beispiel dafür, wie digitale Technologien Defizite in der medizinischen Versorgung adressieren können:

Zum einen zielt /smartreha auf bessere Informationsflüsse zwischen den Akteuren der medizinischen Versorgung, damit etwa ein Patient nach seiner Hüftoperation schnell einen Platz in einer Rehabilitationseinrichtung erhält. Hier geht es um die Abstimmung von OP-Terminen und freien Reha- Plätzen und die schnelle und sichere Übermittlung von Patientenakten.

Ein anderer Bereich von /smartreha ermöglicht die telemedizinisch begleitete Durchführung von Rehabilitationen in häuslicher Umgebung. Rehabilitationen sind für Patienten nach einem stationären Aufenthalt aufgrund von Atemwegserkrankungen besonders wichtig, werden von diesen aber nur selten – in etwa 7 Prozent der Fälle – in Anspruch genommen.

Die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist eine typische „Raucherkrankheit“, im Ruhrgebiet aber auch eine Folge von Kohlestaub in der Lunge und Bergleute sind betroffen. Unbehandelt führt sie zu einer abnehmenden Funktionsfähigkeit der Lunge bis hin zur externen Beatmung. Rehabilitationsmaß- nahmen dagegen steigern die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität der Betroffenen.

Digitale Überwachung

In dem auf drei Jahre ausgelegten Pilotprojekt / smartreha nehmen 100 COPD-Patienten aus dem Ruhrgebiet sowie 100 weitere mit koronaren Herzerkrankungen teil. Je nach Programm erhalten sie ein Ergometer – ein fahrradähnliches Fitnessgerät mit Sattel, Pedalen und Handgriffen – oder Aktivitätsmesser mit nach Hause sowie einen detaillierten Trainingsplan. Trainingsdauer und -intervalle werden aufgezeichnet und digital an ein telemedizinisches Zentrum übermittelt. Auch der Blutdruck und das EKG sowie Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung werden aufgezeichnet und digital überwacht.

Alle sechs Wochen führen zunächst die behandeln- de Ärztin und später geschulte Arzthelferinnen telefonisch ein Coaching-Gespräch mit dem Patienten, in dem es etwa um Krankheitserkenntnis, Essgewohnheiten oder die Raucherentwöhnung geht.

„Die persönliche Ansprache kann über das Telefon genauso gut gelingen wie Face-to-Face“, sagt von Bandemer. Gefordert seien Empathiefähigkeit und eine entsprechende Ausbildung. Die telemedizinisch begleitete ambulante Reha für COPD-Patienten dauert sechs für Patienten mit koronarer Herzerkrankung drei Monate. Danach wird der Patient ein Jahr weiter begleitet.

Rehabilitationsquoten steigern

Hinter dem Projekt steht die Annahme, dass ein solches telemedizinisches Angebot die Quote der Rehabilitationsteilnehmer steigern kann und die in der ambulanten Rehabilitation erworbenen Verhaltensänderungen leichter über den Rehabilitationszeitraum hinaus aufrechterhalten werden.

„Digitalisierung hilft uns, aber sie muss sich am medizinischen Nutzen ausrichten“, so von Bandemer. So könnten digitale Technologien die Zusammenarbeit von Krankenhäusern fördern und die Vermittlung hochspezialisierter medizinischer Leistungen erleichtern. „Wir müssen Krankenhäuser besser vernetzen und Krankenhäuser müssen sich auf das konzentrieren, was sie können.“

Die Anwendungsfelder für Telemedizin sind vielfältig. So würden schon heute von Implantaten zahl- reiche medizinische Daten übertragen – die aber zu wenig ausgewertet werden. Implantate seien durch- gehend Telemedizin-fähig. Für den Datenschutz gebe es klare Regeln: Die Daten gehören den Patienten und dürfen nur mit deren Einverständnis genutzt werden. Von Bandemer weiter: „Die Nichtnutzung der Daten finde ich das größere Problem.“


Der Betrag erschien zuerst im CSR MAGAZIN Nr. 33, September 2019, S. 36f.


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