Durch die Corona-Pandemie und damit verbundene wirtschaftliche Härten und Einschränkungen steht der Ausbildungssektor unter großem Druck. Mit neuen Förderprogrammen stemmt sich die Bundesregierung gegen einen Ausbildungsplatzabbau. Vor der Pandemie betroffen sind auch innovative Ansätze im Ausbildungssektor wie das Projekt „Including.Digital.Twins“. Was lässt sich aus den Erfahrungen eines solchen Projektes für den Ausbildungsmarkt der Zukunft lernen?
Von Achim Halfmann
„Inklusion durch digitale Medien in der beruflichen Bildung“ lautet der Untertitel des Projektes, in dem sich das Berufsförderungswerk (BFW) Köln der Diakonie Michaelshoven, die Technische Hochschule Köln und die Hochschule Niederrhein zusammen mit Unternehmen engagieren. Gemeinsam wollen sie Menschen mit Beeinträchtigungen für Unternehmen attraktive digitale Kenntnisse und mediale Kompetenzen vermitteln und die Teilnehmenden erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrieren. Im vergangenen Jahr wurde ein Baukasten zur Medienkompetenz – mit berufsbezogenen Unterrichtsmaterialien zu Themen wie Datenschutz oder Fake News – entwickelt und erprobt und der erste Durchgang der Tandemarbeit nach einer Corona-bedingten Verzögerung von sechs Monaten abgeschlossen.
Tandems erstellen Lernmedien
Rachel Knauer ist im BFW für die Projektentwicklung zuständig. „Unsere Arbeitsgruppen nennen wir Tandems, auch wenn es teilweise drei Leute sind“, sagt Knauer. Zu jedem Tandem gehören ein Rehabilitand des Berufsförderungswerkes und eine kaufmännische Auszubildende. Aufgabe der Tandems ist es, digitale Lernmedien zu erstellen – in der Regel Videos. Dazu stellt ihnen das Berufsförderungswerk Arbeitsmittel zur Verfügung – etwa ein Tablet und das Programm Office 365. „Die Tandems strukturieren ihre Arbeitsprozesse selbst und finden so in agile Prozesse der Online-Kollaboration hinein“, so Knauer.
Jedem der acht Tandems ist ein Unternehmen als Praxispartner und ein Coach – ein Lehrender der Hochschule Niederrhein oder des BFW – zugeordnet. Knauer weiter: „Die Coaches stehen bei Problemen in der Zusammenarbeit zur Verfügung und beraten dazu, welche Inhalte sich in einem 3- bis 9-Minuten-Clip darstellen lassen.“ Während der Tandemphase waren Kompakttage im BFW und eine Abschlussveranstaltung vorgesehen, die Pandemie-bedingt als reine Online-Events stattfanden. Und auch die Zusammenarbeit der Tandems selbst gestaltete sich überwiegend online.
Mit Medien arbeiten
Nach der ersten Runde der Projektarbeit zeigt sich Rachel Knauer zufrieden: „Die Tandems haben ganz unterschiedliche Themen kreativ erklärt – von der Bilanz über Gesellschaftsformen bis hin zur Ergonomie. Dabei ist uns auch deutlich geworden: Die Erarbeitung solcher Materialien ist technisch und inhaltlich aufwändig.“
Digitale Medien in das eigene Leben zu integrieren und sie für Bildungszwecke zu nutzen, mit diesen Herausforderungen beschäftigt sich die Medienpädagogik. Eine wichtige Transferleistung, wie Werner Heister sagt. Der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft an der Hochschule Niederrhein begleitet das Projekt wissenschaftlich. „Medienpädagogik ist ein außerordentlich wichtiges Feld, das wir noch viel deutlicher in den Vordergrund stellen müssen. Es gilt Menschen zu vermitteln, wie Medien ticken und was sie mit uns machen, wenn wir uns auf sie einlassen“, sagt Heister. Im Projekt wurde daher der auf die angehenden Kaufleute ausgerichtete medienpädagogische Baukasten zur Medienkompetenz erstellt, denn die jungen Leute „sollten zum Beispiel Fake News erkennen können und wissen, wie sie im beruflichen Umfeld eine Internetrecherche starten und nutzen.“
Eine virtuelle Community entsteht
Ein Ziel des Projekts „Including.Digital.Twins“ sei der Aufbau einer Community im virtuellen Raum, so Heister. Geplant sei der Aufbau einer offenen digitalen Plattform für Auszubildende – Kaufmann im Büromanagement -, deren Nutzung Spaß mache und deren Nutzerführung die Orientierung und das Lernen erleichtere. Heister weiter: „Bei der Entwicklung der Plattform nutzen wir moderne Ansätze der Neurodidaktik: So lernen Menschen leichter und nachhaltiger, wenn ihre Aufmerksamkeit gesteigert wird. Und einfache Tests, etwa Multiple-Choice-Fragen, fördern die Aufmerksamkeit deutlich stärker als das Lesen von Texten.“
Damit auch Berufsschullehrer aus anderen als der am Projekt beteiligten Schulen mit diesen Materialien arbeiten können, wird es offen lizenziert – mit den Creative Commons-Lizenzmodellen. „Und viele Inhalte sind nicht nur für Bürokaufleute, sondern auch für andere kaufmännische Berufe interessant“, sagt Heister.
In diesem Frühjahr startet die zweite Runde der Projektarbeit mit zehn Tandems.
Das Projekt im Internet: https://idit.online/
„Digitale Kooperationen und Inklusion im Ausbildungssektor“ von Achim Halfmann ist erschienen im CSR MAGAZIN Nr. 36. Der Text ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.